Montag, 22. Oktober 2012

Yoga für Einsteiger

Im Kindergarten einer Ortschaft im Kanton Zürich treffen sich allerlei Buben und Mädchen diverser Kulturen. Die bunte Kinderschar also wärmt sich in diesem Kindergarten mit lustigen Rhythmusspielchen auf, spricht über ein aktuelles Thema wie die Auswirkungen der Klimaerwärmung im Herbst oder weshalb steigen die Temperaturen im Oktober über 20 Grad und macht dann Spiele mit Figuren wie stehendes Knie, entzündete Kerze, herabschauender Hund, stummer Baum, gleissende Sonne oder weiser Halbmond. Am Ende der gewiss etwas anstrengenden Stunde entspannen sich die Cheglischüler mit geschlossenen Augen auf der Matte liegend, während die Lehrerin zu leiser Musik eine kleine Traumgeschichte erzählt. Ommm. So stands kürzlich geschrieben in einer Tageszeitung im Kanton Zürich.
Diese Lektionen laufen unter dem Titel ‚Yoga’. Yoga für Kindergartenschüler. Yoga für Einsteiger. Den Eltern eines Kindergarten-Buben ging das jedoch zu weit. Sie hatten bei der Schulpflege um eine Dispensation ihres Juniors vom Yoga ersucht. Oder gar eine Umteilung in einen anderen Kindergarten gefordert, in dem vielleicht gejodelt oder ein Jasskurs für kleine Hände geboten wird, statt sich nach dem Sonnengruss zu richten. Yoga komme aus dem Hinduismus, argumentierten sie argwöhnisch, und habe die Auflösung der Seele im göttlichen Brahman zum Ziel. Öffentliche Schulen aber seien den Grundwerten des demokratischen Staatswesen verpflichtet und hätten sich gemäss Kantonsverfassung konfessionell und politisch neutral zu verhalten. Kruzifx nochmal!
Dem wurde widersprochen. Der Yoga-Unterricht sei religionsneutral ausgerichtet und diene ausschliesslich zur Förderung der Gesundheit, Beweglichkeit und Haltung, sprach die Schulpflege. Die Eltern schüttelten den Kopf und rekurrierten beim Bezirksgericht. Als das nichts nützte, führten sie Beschwerde beim Verwaltungsgericht wegen Verletzung der Glaubens- und Gewissensfreiheit. Doch auch dieses entschied, die breite Öffentlichkeit assoziiere Yoga heute mit Gymnastik- und Entspannungsübungen – und nicht mit rituellen Handlungen. Grosse Teile unserer Zivilisation, die auch den Schulunterricht prägen, liessen sich auf religiöse Ursprünge zurückführen. Zum Beispiel die Anfänge des europäischen Theaters im antiken Griechenland, so das Verwaltungsgericht weiter, wurden nämlich damals die Vorführungen zu Ehren griechischer Götter abgehalten.
Die Eltern können das kürzlich publizierte Urteil nun noch ans Bundesgericht weiterziehen. Das Ganze ist natürlich sehr zeitaufwändig, nebenbei wollen Mami und Papi ihren Buben ja weiterhin im Frühchinesisch unterstützen, für den Förder-Englisch-Unterricht genügend Stunden einplanen, ihm im Theaterverbund ‚Sokrates für Einsteiger’ die altgriechische Philosophie näher bringen und zum körperlichen Ausgleich ins Aikido chauffieren, damit der fernöstliche Kampfsportgedanke nicht zu kurz kommt. Aber bitte sehr, sicher nicht zusammen mit den anderen Chegelischülern. Wo bleibt denn da die Diversität des Individuums, bzw. der Wettbewerbsvorteil im Kampf um die oberste Sprosse auf der Karriereleiter?

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