Donnerstag, 9. Februar 2012

Für immer und ewig

Laut Statistik wird jede zweite Ehe geschieden, sagt mir eine sichtlich aufgewühlte Victoria. Wir sitzen zusammen im Café Gyger. In Thusis. Fast schon traditionell treffen wir uns einmal im Winter hier. Die kurze Auszeit tut mir gut, flüstert sie und umklammert eine heisse Tasse Schokolade. Ihr Leben sei sehr ausgefüllt, der Job, die heranwachsenden Buben, das krabbelnde Babymädchen namens Harper und natürlich David. David, der sich entschlossen hat, für die Familie das Angebot von Paris St. Germain auszuschlagen, damit sie alle in Hollywood bleiben können. David, der seine Unterhosenlinie jetzt in H&M-Filialen verkaufen lässt, damit sich jede Frau ein bisschen David mit ihrem Ehemann nach Hause holen kann und David, der gesteht, am liebsten trage er lange Unterhosen! David findet, nach dem vierten Kind müsse er nicht mehr nackt durchs Appartement rennen! Und lange Unterhosen sind eh sexy! Da komm ich ja wie gerufen, strahlt Andri, der Chef, seinen Very Special Guest an und bringt eine zusätzliche Portion Schlagrahm vorbei. Weisse Köstlichkeit verschmilzt sich mit dunkler, lächelt er, wohl dem, der dies noch geniessen kann! Vickys Augen füllen sich mit Tränen, sie hätte nie gedacht, dass sich Heidi und Seal trennen würden, sind sie doch – neben Beckhams natürlich – das Traumpaar schlechthin, schluchzt Victoria und schnäuzt in mein Taschentuch, das ich ihr eben diskret über den Tisch geschoben habe. Ich nicke, Mischehen sind halt auch nicht mehr wie früher. Überhaupt Ehen, fügt Vicky hinzu, das ‚Für-immer-und-ewig’ hätten sich Seal und Heidi jedes Jahr mit einer tollen Kostümparty erneuern lassen, just zu ihrem Hochzeitstag. Ab jetzt können sie ihren Scheidungstag feiern, rate ich, natürlich ebenfalls immer unter einem anderen Motto. ‚Liebling, lass uns scheiden’, Rosenkrieg, ‚Kramer gegen Kramer’ da würden sich vermutlich einige lustige Themen anbieten. Seal hat Mühe damit gehabt, dass Heidi eine erfolgreiche Frau ist, stottert Vicky, und weit mehr Geld nach Hause bringt, als er jemals zu verdienen träumt. Ich nicke, wir sprechen hier von einem Vermögen von mehreren Millionen, wen würde das nicht auch belasten?
Aber waren es nicht Seals Wutausbrüche, die Heidi mehr und mehr gestört haben sollen? Andauernd kleingehackte Stühle ins Cheminee werfen, kann in einem Winter wie diesem ganz praktisch sein, doch in L.A., wo die zwei daheim sind, wird nicht oft Brennholz gebraucht, entgegne ich. Victoria schüttelt ihren Kopf, nein, sie wisse es besser, David habe ihr erst kürzlich aus einem Zeitungsbericht vorgelesen, jede zweite Ehe würde geschieden, weil die Frau den Spagat zwischen Beruf und Familie nicht schafft. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Verbindung mit einem Hausmütterchen ewig hält, steht in der Studie weiter geschrieben, scheint viel grösser, aber welcher Mann will schon eine biedere Maus im Haus, schliesst Vicky ihre Ausführungen. Ich schlucke, als graue Hausfrau sollte ich wohl diese Frage heut noch meinem Mann stellen. In diesem Moment quitscht es draussen, ein Auto hält rasant und parkiert blitzschnell mitten in die letzte freie Parklücke vorm Café Gyger. Albi steigt aus, der Präsident des Skiclubs Beverin, der wie jedes Jahr das most famous Member-Mitglied zu einem feinen Abendessen ausführt. Laut Statistik, sag ich zu Vicky, können Frauen besser parken, weil sie sich mehr Zeit nehmen, um eine Lücke zu suchen, weil sie diese exakter anpeilen und so mittiger im Platz stehen. Statistiken interessieren bei dieser Kälte eh niemanden, spricht Albi und während er sich zu Vicky beugt, um sie zur Begrüssung zu küssen, mein ich zu sehen, wie am unteren Ende seiner Hosenbeine der Saum seiner langen Unterhosen hervorblitzt.