Freitag, 20. Februar 2009

Draussen vor Hämmerles Tür

Manchmal spätabends, wenn sie im Schloss Rhäzüns weilten, Christoph längst in seinem Gemach lag und kräftig die Luft zum Schlaf ausblies, holte Silvia aus dem Schopf im Hof ihr altes Fahrrad hervor und trampelte dem Waldrand entlang Richtung Pratval. Direkt auf das Schloss Rietberg zu. Im verträumten Garten vor den alten Gemäuern wartete dort bereits ihr treuer Freund Andrea Hämmerle. Sie umarmten sich, setzten sich auf ihre „UBS“, unser beider Sitzbank, wie Andrea zu scherzen pflegte und schauten in den klaren Sternenhimmel. „Ach, mein lieber Andrea“, seufzte Silvia, „wie soll es bloss weitergehen?“ Hämmerle legte schützend den Arm um ihre zarten Schultern. „Ja, ja“, stimmte er ein, „es ist wahrlich nicht lustig. Keiner von uns hats einfach. Denken wir an Obama oder Ueli Maurer und an die Altlasten ihrer Vorgänger. Der Papst steckt in seinen Mass-Lederschuhen auf göttlichen Irrwegen, die UBS gar in der Bankenhölle.“ Sie blickten erneut ins Himmelsgewölbe. „Die Verstaatlichung der UBS war wohl unsre beste gemeinsame Idee seit Jahren,“ hellte sich Silvias Miene kurz auf. Dann schwiegen sie wieder. „Und jetzt auch noch die traurige Geschichte der jungen Brasilianerin. SVP ritzte sich das arme Ding in ihre Oberschenkel“, fuhr Silvia düster fort. Hämmerle versuchte sie aufzumuntern: „Vielleicht war sie der deutschen Sprache nicht mächtig, versuchte CVP zu schreiben? Oder SP und das V war lediglich ein Ausrutscher?“ Silvia schüttelte den Kopf. Als Alt-Lehrerin lag ihr die Grammatik viel zu sehr am Herzen, als dass man darüber spasste. „Ach Andrea, wenns so einfach wäre.“ Der Mond legte sich ruhig und friedlich über den Beverin, da endlich meinte Andrea: „Es ist wegen Christophs Biografie, nicht wahr? Deshalb bist du bei mir.“ Silvia nickte stumm. Sie wollte nicht, dass dieses Buch erschien. Nicht jetzt. Sie hatte ihm geraten, zuzuwarten, bis er doch noch Bundespräsident geworden wäre.“ Hämmerle zog ein frisches Stofftüchlein aus seiner Hosentasche und reichte es seiner Freundin. Sie drückte sich eine Träne weg. „Das mit dem Bundespräsidium ist halt immer eine schwierige Sache. Unter uns, dass Christoph abgewählt wurde, ist nun wirklich nicht seine Schuld.“ Andrea nahm seiner Bankpartnerin das Taschentuch aus der Hand. „Bei uns in der SP“, schnäuzte er gewichtig, „haben wir den Bundesrat Moritz, der Memoiren schreibt, die höchstens er selbst lesen will, und droht, bis 2011 im Amt zu bleiben.“ Silvia lächelte leicht, das erste Mal in dieser Nacht, stand auf, packte ihr an der Rosenhecke angelehntes Velo. „Andrea, mein bester Freund, wenn ich dich nicht hätte“, sprach sie und drückte ihn herzlich. „Jetzt aber muss ich zurück nach Rhäzüns“, sagte sie zum Abschied, „Korrekturlesen, bevor Christoph wach wird. Seine Biografie geht bereits in die zweite Auflage!“ Und Leuenbergers Schriften werden als Ladenhüter eingestampft, dachte Hämmerle betrübt. Silvia schwang sich auf ihren Drahtesel. „Pass auf, dass du bei Rothenbrunnen nicht auf den Polenweg einschwenkst“, rief ihr Andrea zu, „das ist sonst eine Nordosterweiterung deines Heimweges!“ Er schaute ihr besorgt nach, wie sie im Dunklen verschwand.