Donnerstag, 27. September 2012

Schlossgespräche – Leichen im Keller


Graue Wolken hängen tief am Himmel, jeden Moment werden sie sich über dem Schloss Rhäzüns entleeren. Silvia steht am Fenster, ein Feuer im Cheminée wärmt das Zimmer. Garstige Zeiten sinds, nicht wahr, mein Christoph, spricht sie zu ihrem Mann, der im gepolsterten Louis-quinze-Schaukelstuhl leicht auf und ab wippt. Ungeduldig trommelt er mit seinen Fingern auf den dunkel lackierten Armlehnen, Himmel noch mal, wo bleibt er denn, schimpft er laut. Am grossen runden Tisch sitzen bereits Hofschreiber Köppel und ein strahlender Brunner Toni. Das Sünneli wärmt mich halt immer, egal, obs grad scheint oder nicht, lächelt Toni. Silvia verschränkt die Arme, es zieht durch das alte Gemäuer, sie fröstelt leicht. Wollen wir schon mal anfangen, sagt Köppel, wir können ja auch ohne Mörgeli unsre Strategie besprechen. Ein Skandal ist das, schimpft Christoph, steht auf und gesellt sich zu seinen Kollegen, unser bester Mann wird verheizt und von der Uni geworfen! Nur weil seine Vorlesungen nicht besucht werden, fragt Brunner nach, oder hat das mit den alleingelassenen und ungepflegten Leichen im Keller zu tun? Köppel schüttelt den Kopf: Toni, du verstehst das nicht, das ist höhere Schule. Hier geht es um Mobbing, unsren Mörgeli hat man an der Uni geschasst, weil er ein SVPler ist, die linken Professoren haben ihn einfach nicht mehr gewollt. Obwohl er sozusagen das beste Pferd im Stall war, schliesst Köppel seine Erklärung. Toni nickt. Pferd im Stall, das hat er verstanden, das ist in etwa so wie mit seinen Kühen. Oder Säuen. Wo käme er hin, wenn er seine Tiere entlässt, nur weil sie subventioniertes Heu fressen, stellt Brunner klar.

Just in diesem Moment klopft es unten an der Pforte. Silvia huscht die Treppe hinab und bittet ihn hinein, endlich bist du da, heisst sie Mörgeli willkommen, du wirst oben im Herrenzimmer längst erwartet. Entschuldigt die Verspätung, begrüsst er seine Kameraden hastig: Es war einiges los in den letzten Tagen. Unglaublich, dieses linke Pack an unserer staatlichen Universität, beginnt er seine Rede, hat mich, den Titularprofessor einfach so kaltgestellt. Ich sei kein rechter Schaffer, behauptet man, mein Inventar im medizinischen Institut sei veraltet und verstaubt, hoho, wo sind wir denn? Meine Leichen im Keller nicht gut gepflegt? Einmal eingelegt in ein Glas, halten die doch für die Ewigkeit! Dass ich meine Vorlesungen seit 13 Jahren unverändert halte, ist doch ein Zeichen von Kontinuität und dass sie gar nicht besucht werden, ein weiteres Zeichen, nämlich welch faule Banausen die heutigen Studenten sind, also bestimmt nicht mein Problem! Dafür habe ich während dieser Zeit viel für unser Volk recherchieren und Missstände aufdecken können, ich sprech von den Invaliden und Asylanten, die zum Schein dem Staat auf der Kasse liegen und ich rede davon, dass  auch ein Nationalbankchef Leichen im Keller hat, so hab ich ihn geschasst! Mörgeli schaut erwartungsvoll in die Runde. Gut gemacht, erhebt Christoph Blocher seine Stimme, wir sind stolz darauf, einen wie dich in unseren Reihen zu haben, der sich wahrlich um die Leichen im Keller sorgt und dafür, dass alle, die zum Schein auf  Staatskosten leben, unverzüglich entfernt werden! Ich habe geschlossen. Das Protokoll ist natürlich vertraulich, raunt Blocher dem Schreiber ins Ohr, ich erwarte die Details wie gewohnt in der nächsten Weltwoche.


Dienstag, 25. September 2012

Schlossgespräche – Gefangen im Netz


Das erste gefallene Laub wirbelt vom Wind getrieben durch den Schlosshof von und zu Rhäzüns. Der Herbst hat sich angemeldet und während die Gemahlin des Gutsbesitzers sanft an den welken Rosenblättern zupft, schreitet ein grossgewachsener Wanderer mit reichlich beladenem Rucksack des Weges direkt auf die schwere Pforte zu. Grüss dich, Oskar, lächelt Silvia aus gebückter Haltung dem finster dreinblickenden Freysinger zu, der Christoph erwartet dich oben in der Herrenstube. Oskar nickt zurück, ei, ei, die Silvia, denkt er sich, auf Rosen gebettet, wenn das kein gutes Omen ist... Er schmunzelt, eilt ins Schloss und die herrschaftliche Treppe hinauf zum Herrenzimmer. Kurz angeklopft, da ertönt schon des Schlossherrn Stimme: Komm, wir haben auf dich gewartet. Oskar drückt die Klinke und betritt die herrschaftliche Stube. Düster erscheint sie ihm, die Vorhänge zugezogen, bloss die Kerzen auf dem silbernen Leuchter spenden flackernd etwas Licht. Oben am Tisch der Christoph, zu seiner Rechten sitzt mit gespitztem Stift und blütenweissem Papier vor sich der Hofschreiber Köppel, seinen Praktikanten Somm neben sich. Links von denen findet sich der Brunner Toni, man sagt gar, er sei der Präsident dieser Schweizer Volkspartei. Papperlapapp, ruft Christoph, Präsident bin und bleibe ich, auf Lebzeiten! Aber das müssen die da draussen ja nicht unbedingt wissen. Setz dich Freysinger, wir haben zu reden und zu handeln! Oskar lässt scheppernd den mitgebrachten Rucksack zu Boden und nimmt Platz. Schon bellt Christoph: Wir haben keine Zeit zu verlieren, fangen wir also an – Freysinger, du hast das Wort. Oskar streicht seine im Nacken zusammengebunden Haare zurecht und beginnt räuspernd: Diese Räubergeschichte – die ich übrigens selbst nicht besser hätte schreiben können – ist wohl etwas aus dem Ruder gelaufen. Der Tod des Moldawiers auf der Ibergeregg nicht geplant, die Protagonisten allgemein überfordert, wie unser Schwyzer Parteikollega Sepp Spiess, der auf Facebook darüber schwadroniert und sich exponiert. Und so schliesse ich, spricht Freysinger weiter, meinen Essay mit folgender Quintessenz: Für unsre Parteikollegen muss ein Social Media Verbot verfügt werden! Um sie zu schützen, denn es kann schnell passieren, dass man irgendeinen Stuss zusammenschreibt! Vor allem, wenn man steinhässig oder betrunken ist, was ja die beiden Aggregatszustände unserer Parteikollegen sind, bevor sie zu heisser Luft werden! Sehr gefährlich! Christoph beugt sich zufrieden vor: So ists recht, und überhaupt, wo kommen wir denn hin, wenn die Medien jetzt schon sozial sind! Habt ihr alles aufgeschrieben, raunt er dem Köppel und dem Somm zu. Und während diese eifrig nicken, gleichzeitig noch ihren Facebook-Status auf dem neuen iPhone 5 aktualisieren, packt Freysinger die mitgebrachten Walliser Weine aus seinem ledernen Rucksack. Kameraden, erhebt Oskar feierlich die Stimme, jetzt haben wir uns aber einen gehörigen Schluck verdient! Prost!