Graue Wolken hängen tief am Himmel, jeden Moment werden sie sich über
dem Schloss Rhäzüns entleeren. Silvia steht am Fenster, ein Feuer im Cheminée wärmt
das Zimmer. Garstige Zeiten sinds, nicht wahr, mein Christoph, spricht sie zu
ihrem Mann, der im gepolsterten Louis-quinze-Schaukelstuhl leicht auf und ab
wippt. Ungeduldig trommelt er mit seinen Fingern auf den dunkel lackierten Armlehnen,
Himmel noch mal, wo bleibt er denn, schimpft er laut. Am grossen runden Tisch
sitzen bereits Hofschreiber Köppel und ein strahlender Brunner Toni. Das
Sünneli wärmt mich halt immer, egal, obs grad scheint oder nicht, lächelt Toni.
Silvia verschränkt die Arme, es zieht durch das alte Gemäuer, sie fröstelt
leicht. Wollen wir schon mal anfangen, sagt Köppel, wir können ja auch ohne
Mörgeli unsre Strategie besprechen. Ein Skandal ist das, schimpft Christoph,
steht auf und gesellt sich zu seinen Kollegen, unser bester Mann wird verheizt und
von der Uni geworfen! Nur weil seine Vorlesungen nicht besucht werden, fragt Brunner
nach, oder hat das mit den alleingelassenen und ungepflegten Leichen im Keller
zu tun? Köppel schüttelt den Kopf: Toni, du verstehst das nicht, das ist höhere
Schule. Hier geht es um Mobbing, unsren Mörgeli hat man an der Uni geschasst,
weil er ein SVPler ist, die linken Professoren haben ihn einfach nicht mehr
gewollt. Obwohl er sozusagen das beste Pferd im Stall war, schliesst Köppel
seine Erklärung. Toni nickt. Pferd im Stall, das hat er verstanden, das ist in
etwa so wie mit seinen Kühen. Oder Säuen. Wo käme er hin, wenn er seine Tiere entlässt,
nur weil sie subventioniertes Heu fressen, stellt Brunner klar.
Just in diesem Moment klopft es unten an der Pforte. Silvia huscht die
Treppe hinab und bittet ihn hinein, endlich bist du da, heisst sie Mörgeli
willkommen, du wirst oben im Herrenzimmer längst erwartet. Entschuldigt die
Verspätung, begrüsst er seine Kameraden hastig: Es war einiges los in den
letzten Tagen. Unglaublich, dieses linke Pack an unserer staatlichen
Universität, beginnt er seine Rede, hat mich, den Titularprofessor einfach so
kaltgestellt. Ich sei kein rechter Schaffer, behauptet man, mein Inventar im medizinischen
Institut sei veraltet und verstaubt, hoho, wo sind wir denn? Meine Leichen im
Keller nicht gut gepflegt? Einmal eingelegt in ein Glas, halten die doch für
die Ewigkeit! Dass ich meine Vorlesungen seit 13 Jahren unverändert halte, ist
doch ein Zeichen von Kontinuität und dass sie gar nicht besucht werden, ein weiteres
Zeichen, nämlich welch faule Banausen die heutigen Studenten sind, also
bestimmt nicht mein Problem! Dafür habe ich während dieser Zeit viel für unser Volk
recherchieren und Missstände aufdecken können, ich sprech von den Invaliden und
Asylanten, die zum Schein dem Staat auf der Kasse liegen und ich rede davon,
dass auch ein Nationalbankchef Leichen
im Keller hat, so hab ich ihn geschasst! Mörgeli schaut erwartungsvoll in die
Runde. Gut gemacht, erhebt Christoph Blocher seine Stimme, wir sind stolz
darauf, einen wie dich in unseren Reihen zu haben, der sich wahrlich um die
Leichen im Keller sorgt und dafür, dass alle, die zum Schein auf Staatskosten leben, unverzüglich entfernt werden!
Ich habe geschlossen. Das Protokoll ist natürlich vertraulich, raunt Blocher dem
Schreiber ins Ohr, ich erwarte die Details wie gewohnt in der nächsten
Weltwoche.