Montag, 9. Januar 2012

Schlossgespräche: Vorbei die Zeit zu schweigen

Seit Tagen schon leert der Himmel schwere Schneeflocken über den Rhäzünser Boden. Meterhohe Schneewälle hüllen das Schloss ein. Christoph steht am Fenster, zieht den samtenen Vorhang leicht zurück und schaut ins Weiss hinaus. Man könnte meinen, der liebe Gott wolle etwas zudecken, aber nicht mit uns, jetzt ists Zeit aufzudecken, poltert er und klopft dem jungen Informatiker der Bank Sarasin auf die mageren Schultern. Am lodernden Kaminfeuer wärmt sich Roger Köppel seine Fingerknöchel auf, den Laptop auf den Knien, bereit, jeden Satz zu dokumentieren. Mein Hofschreiber, flüstert Christoph dem IT-Mann ins Ohr, du kannst ihm vertrauen. Er ist mir fast treuer als mein eigener Sohn. Roger rückt sich leicht verlegen die Brille zurecht, Komplimente hört er selten. In diesem Moment tritt Hans Kaufmann in das Herrenzimmer. Wunderbar, mein Zürcher Lehnsmann hat den Weg in das Bündner Refugium gefunden, begrüsst Christoph seinen Nationalratskollegen und bittet die Versammelten, sich an den polierten schweren Eichentisch zu setzen. Roger, lass das Feuer sein und komm zu meiner Rechten, heisst er den Köppel. Zur Linken der Kaufmann, obwohl er ja sonst ein ganz Rechter ist, zwinkert Christoph kurz. Ihm zur Seite der Informatiker, der sich schüchtern vorne auf die Kante des brokatenen Stuhles setzt. Sein leicht schwermütiger Blick schweift zu den grossen Fenstern hin, tief, tief unten treibt der Rhein, ein paar Schritte bloss, ein kurzer Sprung... Wollen wir die Sache hier beenden, beginnt Christoph, die Zeit zu schweigen ist vorbei, jetzt wird gesprochen. Hildebrand ist untragbar, er hat seine Frau nicht im Griff, ein gemeinsames Konto hätte ich meiner Silvia nie erlaubt. Wie weiss man da, wann und wo sie darauf zugreift? Und wie soll ich dann noch beweisen können, dass ich davon nichts gewusst habe? Eben. Dank unserem aufmerksamen Freund, dem ich selbstverständlich einen kleinen Zustupf von meinem eigenen Konto überweisen werde, haben wir den Hildebrand endlich abgebrannt.
Derweil der IT-Mann starr zum Fenster hinausblickt, klöppelt Roger seine Finger flink über die Tastatur seines Computers. Hans Kaufmann schweigt, er hat seine Schuldigkeit getan und beim Abgang fällt ihm auf, dass am anderen Ende des Tisches, fernab des schimmernden Kaminfeuers, ein weiterer Gast im Halbdunkeln sitzt, welcher unentwegt an seiner Fliege zupft. Endlich ist der Moment gekommen, den Schweizer Bankenplatz zu retten, fährt Christoph fort, wir haben nun den Auftrag den besten Mann an die Spitze der Nationalbank zu befördern: Meinen lieben, guten Freund Martin Ebner.

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